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Woche 2
27. Aug. 2000 - 2. Sep. 2000


8. Tag - Sonntag, 27. 8. 2000

Heute geht es weiter über den Yellowhead Highway 5 Richtung Tête Jaune Cache. Vorerst füllen wir aber noch unseren Frischwassertank auf. Wenige hundert Meter nach der Parkausfahrt rufen wir beide plötzlich: "Da, schau, ein Bär!". Ein schwarzes Rind, halb liegend, halb stehend spielte uns einen Streich. Zuerst waren wir erfreut, es wäre ein Bär, danach aber auch froh, dass es keiner war. Tröstlich war nur, dass wir uns beide täuschen ließen. Dies sollte auch unsere einzige "Bärensichtung" im ganzen Urlaub sein.
Der Yellowhead Highway 5 ist eigentlich eine Seitenstraße des Yellowhead Highway, welcher von Winnipeg in Manitoba nach Prince Rupert an der Pazifikküste BCs führt. Von Kamloops nach Tête Jaune Cache sind ca. 335 km zu fahren.
Wir kommen an einem der langen Güterzüge vorbei und ich lese am Kilometerzähler des RV 1,4 km Länge ab. Die 108 Wagons wurden von 2 Dieselloks gezogen. Mittagspause machen wir in Clearwater. Die in der Karte eingezeichneten Städte sind meist nur eine Siedlung von einer handvoll Häuser, fast die ganze Gegend ist hier Wald.
In Tête Jaune Cache treffen wir wieder auf den Fraser River, und es geht weiter, über den Yellowhead Highway 16 nach Osten in die Rocky Mountains. 20 km weiter halten wir beim Rearguard Falls Provinzial Park. Hier kann man das Ende einer langen Reise der größten Pazifiklachse, den Chinook-Salmon beobachten. Nach mehreren Jahren im Meer kommen sie zu ihrem Geburtsort Zurück, um ihrerseits für Nachwuchs zu sorgen. Von der Flussmündung bei Vancouver bis hierher haben sich die Chinook 1200 km flussaufwärts gekämpft. Nur wenige starke können die Rearguard Falls erfolgreich überwinden, für die meisten ist hier Endstation. Wir können ein paar kräftige Burschen beobachten, wie sie sich über die Wasserfälle quälen.
Durch den Mt. Robson Provincial Park führt der Hwy 16 nach Alberta. Wir stoppen aber vorher beim Mt. Robson Visitor Center. Man hat von hier aus einen herrlichen Blick auf den 3954 m hohen Mt. Robson, leider ist er, so wie heute meist in Wolken gehüllt. Der Mt. Robson ist der höchste Berg in den Kanadischen Rocky Mountains.
Wir suchen uns im Campground gleich neben dem Visitorcenter einen Stellplatz zum Übernachten. Es ist zwar kalt, aber zum Glück regnet es nicht. Nachdem ich mich beim Feuerholz hacken erwärmt habe, mache ich unser erstes Lagerfeuer. Wir braten Erdäpfel auf offenen Feuer und verspeisen sie dann mit Tomatensalat. Heute war es meist bewölkt und manchmal hatten wir leichten Nieselregen.

9. Tag - Montag, 28. 8. 2000

Das Wetter präsentiert sich vorerst sonnig. Als wir vom Campingplatz hinausfahren, können wir den Mt. Robson wolkenfrei betrachten. Nach wenigen Kilometern kommen wir zu den Overlander Falls. Ein kurzer Fußweg führt durch den Wald zu den Wasserfällen. Zuerst hört man nur ein Brausen, dann schimmert türkisblaues Wasser durch die Bäume und plötzlich steht man vor dem tosenden Fraser River.
Benannt wurden diese Fälle nach einer Gruppe von Männern und einer Frau, die sich die Overlander nannten und in der Hoffnung auf Gold Richtung British Columbia zogen. Die Overlander waren die ersten, die sich mit ihren Familien durch das Zentrum Kanadas nach Westen wagten und bereiteten so den Weg für die weitere Erschließung des Landes.
Diese ca. 200 Goldsucher, hauptsächlich aus Ontario und Quebec, welche 1862 über den Yellowhead Pass nach Westen zogen, reisten in mehreren organisierten Gruppen. In Edmonton heuerte die Hauptgruppe André Cardinal, einen Indianer aus Jasper an, um sich von ihm nach Tête Jaune Cache führen zu lassen.
Dort angekommen trafen sie auf ein Lager der Shuswap Indianer. Diese kannten aber den Weg weiter durch das Fraser Valley nicht. Nur ein paar Tagesmärsche Richtung Thompson River war das ihnen bekannte Gebiet.
Am 1. September machten sich die Leute, bis auf 36 Personen, auf den Weg. Sie fuhren mit Kanus den Fraser River hinunter, drei ertranken, der Rest schaffte es vermutlich bis Quesnel. Die restlichen 36 begaben sich Richtung North Thompson Valley und Kamloops, auch hier ertranken zwei.
Beide Gruppen wurden entmutigt, als sie sich den Goldfeldern näherten. Ihnen kamen hunderte enttäuschte Goldgräber entgegen. Fast alle Overlander zogen nun an die Küste, ohne je bei den Goldfeldern in Barkerville gewesen zu sein.
Nachdem wir uns die Overlander Falls angesehen haben, machen wir uns auf den Weg nach Jasper. Der Yellowhead Pass ist der Grenzübergang von BC nach Alberta zugleich auch die Grenze vom Mt. Robson Provincial Park zum Jasper National Park und eine Zeitzonengrenze - wir stellen unsere Uhren um eine Stunde Zurück. Die fällige Gebühr für den Aufenthalt in den Nationalparks ist auch hier zu entrichten, wir zahlen für 3 Tage, da die Gebühr in allen 4 zusammenhängenden National Parks in Alberta und BC gültig ist, $ 5.-- pro Person und Tag. Ab sieben Tagen würde sich ein Western Canada Annual Pass zu $ 35.-- rechnen, dieser wäre dann auch in allen anderen westlichen National Parks gültig.
In Jasper angekommen sehen wir uns das Dorf an. Es ist zwar ein recht nettes Touristendorf, aber wegen der Dörfer und Städte würden sich wohl nur selten Besucher hierher verirren.
Nach einem Mittagessen machen wir uns auf den Weg auf den Icefield Parkway #93. Angesichts der miesen Wetterlage, die nun herrscht, ist auch unsere Stimmung etwas bedrückt, aber die Rockies sind trotzdem beeindruckend, ebenso bei tiefhängenden Wolken und Nieselregen. Auch das soll man mal gesehen haben, zum Fotografieren ist dieses Wetter allerdings nicht gerade einladend. An Besichtigungspunkten wie Sunwapta Falls oder Athabasca Falls fahren wir vorbei. Die Gletscher des Columbia Icefield können wir von der Straße aus sehen. Bei einen kurzen Stop konnten wir eine Staubwolke am Ende eines Gletschers sehen, als darauf ein Donnergrollen aus der Ferne zu hören war, waren wir uns sicher, eine Lawine oder einen Eisabbruch vom Gletscher beobachtet zu haben. Kurz nach dem Icefield Centre machten wir beim Wilcox Creek Campground Station. Wir freuen uns heute Nacht, eine funktionierende Heizung zu haben, in mehr als 2000m Seehöhe wird es doch schon recht kühl. Der heutige Tag war aufgrund des Wetters enttäuschend aber trotzdem faszinierend wegen der Rocky Mountains.

10. Tag - Dienstag, 29. 8. 2000

Heute in der Früh regnet es immer noch. Wir wollten eine ca. 5-stündige Wanderung machen mit Blick auf die Gletscher, stattdessen fahren wir aber Zurück zum Icefield Centre Parkplatz. Wir gehen zu Fuß entlang der Straße, welche zum Athabasca Glacier führt. In regelmäßigen Abständen sind hier Schilder aufgestellt, um zu markieren wie weit der Gletscher früher herunterreichte. Ende des 19. Jhtds. reichte er bis ins Tal. Jetzt befindet sich hier der Icefield Parkway. Damals mussten die Native People, sowie die wenigen Pioniere, welche hier durchkamen, über den etwas westlich gelegenen Wilcox Pass, um den Gletscher passieren zu können. Als wir den Gletscher erreichten, wagte ich auch ein paar Schritte auf das teilweise bläulich schimmernde Eis. Wir konnten eine Gruppe beobachten, die sich bereit machten für eine geführte Gletscherwanderung - natürlich mit Profiausrüstung.
Später fahren wir dann wieder Richtung Süden, fünf Kilometer nach dem Icefield Centre ist die Grenze zum Banff National Park, nach weiteren 50km kommen wir zum Mistaya Canyon Trailhead. Nach 15-minütiger Wanderung können wir den Canyon bestaunen. Es ist faszinierend, welche Formen die Natur schaffen kann. Da die Sonne kurz durch die Wolken scheint, gehen wir einen ca. einstündigen Rundwanderweg, den größten Teil der Strecke aber doch wieder im Regen. Der Blick durch die Bäume auf das türkisfarbige Wasser des Mistaya River ist beeindruckend.
30km weiter ist der höchste Pass entlang des Icefield Parkway, Bow Summit in 2067m Seehöhe. Wir stellen unser RV am Parkplatz ab und wandern zum Peyto Lake Viewpoint. Die Belohnung für den 15-minütigen Spaziergang ist ein atemberaubender Ausblick auf den von Wald umgebenen blau-türkis leuchtenden Peyto Lake. Die fast unwirkliche Farbe des Sees stammt von fein geriebenem Gesteinssediment, das im Wasser schwebt. Der grandiose Moment wird allerdings von herumschubsenden Japanern und grölenden Deutschen ("Hier ist es mir zu kitschig, da gehe ich lieber wieder in den Bus Zurück!") sehr gestört. Mit dem Bus werden die Touristen bis direkt zum Aussichtspunkt gekarrt, mit dem PKW oder RV muss man weiter unten stehen bleiben und ein Stück zu Fuß gehen, um in den Genuss dieses Naturerlebnisses zu kommen - mir ist letzteres lieber!
Es regnet noch immer, und wir fahren weiter Richtung Lake Louise. In Lake Louise suchen wir nur eine Tankstelle auf und fahren dann mit Hoffnung auf besser werdendes Wetter weiter nach Westen entlang des Trans Canada Highway in den Yoho National Park. Wir durchqueren fast den gesamten Yoho National Park bis zur Hoodoos Park Campsite. Da es immerfort regnet halten wir auch nirgendwo länger an.
Die letzten zwei Tage regnete es sehr viel, und wir fuhren viel zu viele Kilometer in dieser grandiosen Landschaft - irgendwie schade - aber wir hofften immer wieder auf besseres Wetter. Den Yoho National Park besuchen wir allerdings übermorgen nochmals.

11. Tag - Mittwoch, 30. 8. 2000

Nachdem es bis zum Frühstück immer noch regnete, wird es nun besser. Die Wolken hängen zwar noch tief, aber die Sonne kommt immer mehr heraus. Wir fahren aus den Yoho National Park nach Golden einkaufen. Golden ist eine Goldgräberstadt und man sieht oberflächlich betrachtet nur Motels, Fast-food-Restaurants und Tankstellen, aber dahinter verbirgt sich eine Ausgangsstätte für viele Outdoor-Touristen (Wandern und Schifahren oder Boarden).
Entlang der Westseite der Rockies durch das Columbia Valley geht es südwärts bis nach Radium Hot Springs, die 8kleinste Gemeinde in BC. Der Name Radium wurde von der Regierung vergeben, da in der Nähe der Quellen Radioaktivität gemessen wurde. Die Sonne scheint und der Regen ist vergessen. Nun geht es wieder nach Osten in die Rocky Mountains, in den Kootenay National Park. Als wir durch Radium Hot Springs fahren, sehen wir Hotels mit Namen wie 'Haus Tirol', 'Edelweisshuette', 'Hotel Old Salzburg' oder 'Haus Annemarie', und fahren einfach durch.
Später, vom Kootenay View Point sieht man in den dichten Wäldern Bereiche, welche statt grün rot gefärbt sind. Hier hat ein Schädling (Käfer) die Bäume befallen. Große Bereiche sterben ab, aber ähnlich wie nach einem Waldbrand kann sich die Natur auch hier wieder selbst erholen. Nach einigen Jahren wachsen neue Bäume und zig Jahre später kann man nichts mehr von der Plage erkennen. Für ein Menschenleben dauert dies allerdings fast zu lange, deshalb wird so ein Naturereignis von den meisten Menschen als Katastrophe empfunden.
Vom Hector George View sieht man Wildnis pur, ohne den Hwy 93 würde die Wildnis hier wahrscheinlich keiner bezwingen, der Fluss, die Wälder und die Rockies herum - nahezu unüberwindbar.
Sehenswert sind im Kootenay National Park die Paint Pots und der Marble Canyon. Der Paint Pots- Trail führt uns vom Parkplatz zu stark eisenhaltigen Quellen. Durch Oxydation ist der Lehmboden um die Quellen und den darrunterliegenden Bächen gelb, rot und ocker. Natives aus ganz Nordamerika sammelten den farbigen Lehm und machten kleine 'Kuchen' daraus, welche sie in heißer Glut gebacken haben. Der gebackene Lehm wurde gemahlen und mit Tier- oder Fischöl versetzt. Dieses Gemisch wurde zum Bemalen von Felsen und Tipis verwendet, auch zeremonielles Body Painting machte man damit. Für die Natives ist hier ein heiliger Ort, dies hielt die weißen Geschäftemacher allerdings nicht davon ab in den 1920ern den Lehmboden abzubauen und in Calgary Malfarbe daraus herzustellen. Mit der Errichtung des National Park wurde dieses Geschäft wieder beendet. Alte Schürfwerkzeuge sehen wir noch herumliegen.
Der Marble Canyon mit seinen 7 Brücken ist ein schönes Beispiel für die beständige Kraft des Wassers. Über Millionen von Jahren hat es den Canyon immer weiter in den Fels getrieben. Die Brücken sind mit ihren Daten versehen, die 2. Brücke ist zwar nur 17m tief dafür aber die engste. Brücken 6 und 7 sind mit 36m am tiefsten und sehr heftig durchflossen.
Weiter östlich, an der Grenze zum Banff National Park, brannte 1968 ein großer Teil des Waldes ab. Jetzt kann man beobachten wie der natürlichen Nachwuchs für eine Regeneration des Waldes sorgt.
Als weiterer Höhepunkt folgt nun der Vermilion-Pass. Auf 1651 m liegt die transkontinentale Wasserscheide. Alles Wasser, welches östlich von hier wegfließt gelangt über den Bow River in das Flussnetz von Saskatchewan und weiter in die Hudson Bay und den Atlantik. Wasser, welches westlich wegfließt, gelangt in den Columbia River und zuletzt in den Pazifik. Zugleich bildet der Pass auch die Grenze zwischen Alberta und British Columbia, bzw. Kootenay National Park und Banff National Park. Über den Banff Mountain Drive fahren wir weiter nach Banff. Hier gelangen wir zu einem Aussichtspunkt von welchem man die Hoodoos sehen kann. Viele Eichhörnchen laufen hier herum und betteln um Futter. In der Ferne kann man das mondäne Banff Spring Hotel sehen. Etwas später betrachten wir es aus der Nähe. Die Hauptstraße von Banff bummeln wir auch entlang, Monika zieht Vergleiche mit Lech am Arlberg.
Langsam wird es Abend und wir brechen zu unserem heutigen Campground, dem Castle Mountain Campground 34km nördlich von Banff im Bow Valley auf. An der rechten Flussseite des Bow River führt der Hwy 1 (Trans Canada Highway) Richtung Lake Louise, der Castle Mountain Campground ist über den Hwy 1A auf der linken Flussseite zu erreichen. Auf dem 1a ist hier in der Dämmerung, und die hat inzwischen begonnen, eine Maximalgeschwindigkeit von 30km/h vorgeschrieben. Es ist Herbst und die Elks haben Brunftzeit, die liebestollen Hirsche achten da auf keine RVs und ein Unfall ist schnell passiert wenn man zu schnell fährt. Obwohl wir nicht überrascht sein sollten, machten wir trotzdem große Augen als nach nur wenigen Kilometern ein ausgewachsener Elk mit mächtigem Geweih am Straßenrand äst. Wir bleiben in unmittelbarer Nähe am Straßenrand stehen, für ein gutes Foto ist es leider schon zu dunkel. Der Elk lässt sich von uns kaum stören, er hebt kurz das Haupt, geht ein paar Schritte weiter und widmet sich wieder seiner Nahrungsaufnahme. Ein kurzes Stück weiter sehen wir einige Autos am Straßenrand stehen. Dies ist hier immer ein Signal zu erhöhter Aufmerksamkeit, erstens muss man darauf achten keinen Auffahrunfall zu verursachen und zweitens ist es meist sehr interessant warum hier mehrere Fahrzeuge herumstehen. In diesem Fall kann man in nicht all zu weiter Ferne vier Elk-Hirsche beim Paarungskampf beobachten. Mit dem Fernglas ist wunderschön zu sehen, wie sie mit den Geweihen aufeinender losgehen.
Beeindruckt von der Tierwelt, welche hier sogar vom Auto aus zu beobachten ist, biegen wir zum Castle Mountain Campground ein und schlagen unser Lager für die heutige Nacht auf.

12. Tag - Donnerstag, 31. 8. 2000

Der letzte Augustmorgen präsentiert sich neblig, wir fahren den Hwy 1A nach Lake Louise, 10 km außerhalb von Lake Louise befindet sich der Moraine Lake in 1890m Seehöhe. Die Straße dorthin ist kurvenreich, eng und voller Frostaufbrüche. Der See liegt im Valley der 10 Peaks, wir können allerdings nicht alle 10 Gipfel erkennen da die Wolken schon wieder sehr tief hängen.
Der smaragdgrüne Moraine Lake wurde, anders als sein Name besagt, von einem Felsrutsch geschaffen, dessen Gewalt man noch gut an dem großen Haufen von Felsbrocken erkennen kann, der sich am Seeabfluss befindet. Wir machen einen Spaziergang über diesen Hügel am Ende des Sees. An der rauen und groben Form der Steine kann man erkennen, dass hier keine Gletschertätigkeit die Ursache für die Seebildung sein kann. Denn Felsmaterial, das von Gletschern bearbeitet wird, wird zugeschliffen und ist rund. Die Felsen am Abfluss des Moraine Lake dagegen haben raue Formen und eckige Kanten. Zudem ist dieses Geröll sehr wasserdurchlässig. Manchmal ist der See im Frühjahr, wenn der Schnee des Winters noch im Gletschereis und im Schnee auf den Gipfeln gebunden ist, fast leer, weil das Wasser unterirdisch wegsickert und sich seinen Weg durch die Gesteinsmasse bahnt. Erst wenn die Schneeschmelze beginnt, füllt sich der See langsam wieder.
Nachdem wir die 10km wieder Zurückgefahren sind, ist es nur noch ein kurzes Stück zum Lake Louise. Schon bei der Ankunft am Parkplatze kann man erkennen, welch hochfrequentes Touristenziel wir hier besuchen. Am berühmten Château Lake Louise, hier nächtigen die österreichischen ÖSV-Rennläufer, vorbei kommen wir zum Lake Louise - die "Perle der Rocky Mountains", unterhalb des Victoria-Gletschers. Dies sagte Tom Wilson, der 1882 als erster Weißer den See sah. Angesichts des heutigen Betriebs würde er vermutlich das Weite suchen. Damals allerdings lauschte er in eine Stille, in der nur das ferne Donnern von Lawinen zu hören war. Die Eisenbahnmanager erkannten am raschesten das touristische Potential und bauten das Chateau Lake Louise. 1893 fanden nur 50 Besucher hierher, 1908 kamen schon mehr als 5700. Fast zwei Millionen pro Jahr sind es heute.
Um den vielen Leuten hier zu entkommen, beschließen wir den 3,4km langen Trail zum Lake Agnes zu wandern. Dieser Weg führt meist durch Wald, teilweise über Holzstiegen, zum ca. 400 Höhenmeter höher gelegenen Tea House und Lake Agnes. Als wir nach 2 1/2 Stunden oben angekommen sind, stärkten wir uns bei Tee und Kuchen. Von hier haben wir auch einen wunderschönen Ausblick auf den Lake Louise und das Chateau. Beim Abstieg beginnt es wieder einmal zu regnen.
Weiter geht es, wie schon vorgestern, den Trans Canada Highway 1 in den Yoho National Park. Am Aussichtspunkt der Spiral-Tunnels machen wir einen kurzen Halt. An dieser Stelle windet sich die CP-Railway in einem Kehrtunnelsystem dem Kicking-Horse-Pass zu. Wenn man etwas Glück hat, kann man Züge mit bis zu 8 Lokomotiven und 90 Güterwagen sehen, wir hatten dieses Glück leider nicht, die Tunnels waren wegen Renovierungsarbeiten gesperrt.
Ein paar Kilometer vor der Ortschaft Field führt eine 13km lange Seitenstraße zu den Takakkaw Falls. Wir wundern uns, dass diese Straße für Fahrzeuge mit Anhänger verboten ist, sind doch alle Straßen hier gut ausgebaut und auch mit unserem 5,5-Tonnen-RV problemlos zu befahren. Doch plötzlich kommen wir zu einer Stelle mit zwei wirklich engen Kurven. Über weniger als einem Kilometer führt die Straße den steilen Hang hinauf. Busse und große Campingfahrzeuge (länger als 7m) müssen den mittleren Teil der Strecke, zwischen den zwei engsten Kurven, rückwärts fahren, bis sie die Leitplanken berühren, um die 180° Kurven zu schaffen. Ich bewältige diesen Streckenabschnitt ohne rückwärts zu fahren. Erst ein paar Tage später lese ich im Benutzerhandbuch unseres RVs, dass es ca. 8m lang ist.
Die nächsten Kilometer führt die Straße an Steilhängen vorbei, von denen jedes Jahr Lawinen abgehen. Deswegen wird die Straße den Winter über gesperrt und im Frühjahr oft erst spät geöffnet. Umgerissene Bäume und nur mit Buschwerk bewachsene Hänge sind deutliche Hinweise auf die Gewalt des Schnees, der diese Schneisen schafft. Im Frühjahr sind diese Gebiete die ersten Stellen, die Bären auf der Suche nach Kadavern umgekommener Tiere durchstöbern.
Als Höhepunkt der Fahrt ins Tal des Yoho River kommen wir am Ende der Straße zu den Takakkaw Falls. Takakkaw bedeutet "der Großartige", wir finden ein passender Name, als wir das Wasser aus dem Daly Gletscher des Waputik Eisfelds 380 m über zwei Stufen ins Tal donnern sehen. Die Takakkaw Falls sind Kanadas höchste Wasserfälle, und sie gehören zu den zwölf höchsten Fällen der Welt. Der untere Teil der Fälle hat eine Höhe von 254 m. Nachdem wir die enge Serpentinenstraße wieder hinuntergefahren sind (ohne rückwärts zu fahren!), fahren wir, da unser Ticket für die National Parks heute Nachmittag abläuft, durch bis nach Golden. In Golden, im Wispering Spruce Campground, übernachten wir.

13. Tag - Freitag, 1. 9. 2000

Nach dem Frühstück gehen wir in Golden erst einmal einkaufen. Wir verlassen die Rocky Mountains und fahren weiter zum Glacier National Park, welcher in den Selkirk Mountains zu finden ist. Rund 10% der Fläche des Glacier National Park ist von Gletschern bedeckt, daher auch der Name. Am Rogers Pass besuchen wir das Visitor Center. Hier gibt es u. a. ein Modell der Eisenbahnlinie, welche 1910 von einer Lawine verschüttet wurde, zu sehen. 62 Menschenleben hatte dieses Unglück gefordert, danach baute man einen Tunnel. Mit bis zu 26m Schneehöhe ist hier auch ideales Gebiet zur Lawinenforschung. Ein Denkmal erinnert am Pass an die Menschen welche diese Gegend zugänglich gemacht haben.
Vom Campground des Illecillewaet-Parkplatz aus machen wir unsere heutige Wandertour. Da das Wetter wieder einmal etwas unbeständig ist, entschließen wir uns für eine kurze Strecke. Im Visitor Center haben wir ein kleines Büchlein mit einigen Wanderrouten gekauft. Monika sucht den 2,3km langen Trail zum Marion Lake heraus. Auf dem Weg kommen wir am 'Meeting of the Waters' vorbei, hier treffen die beiden Gletschbäche des Illecillewaet-Gletschers und des Asulcan-Gletschers zusammen. Als es später immer steiler hinaufgeht, ziehe ich kurz das kleine Büchlein zu Rate. Monika hat nicht gelesen, dass wir auf 2 km 400 Höhenmeter bewältigen müssen, das wird ja noch lustig. Wir schaffen es aber doch. Wie diese 2,3 km gemessen wurden bleibt mir aber ein Rätsel, das müssen mindestens 5 km gewesen sein. Der Weg führt fast immer durch einen dichten Wald. Man sieht viele Bäume, die durch Blitzschlag, Schnee- oder Winddruck in einigen Metern Höhe umgerissen wurden. Den Wasserfall, welchen wir die meiste Zeit vom gegenüberliegenden Hang hören können, sehen wir allerdings nicht. Durch die Feuchtigkeit gedeihen auch viele Schwämme am Wegrand. Am Marion Lake finden wir uns an einem idyllischen Plätzchen mit einen kleinen See wieder. Nach einer kurzen Rast gehen wir noch das kleine Stück zum Aussichtspunkt. Hier wird unser beschwerlicher Aufstieg von einem überwältigenden Ausblick belohnt. Wir sehen auf den Rogers Pass, Trans Canada Highway und die Eisenbahnlinie wie aus einen Flugzeug, so hoch sind wir heroben - Auge in Auge mit dem gegenüberliegenden Gletscher. Und, welche Freude, wir können auch einen wunderschönen Regenbogen, der über das Tal bis zu den Lawinenhängen auf der anderen Seite spannt, sehen, da es leicht zu regnen begonnen hat.
Wirklich gut, dass wir nur eine kurze Tour unternommen haben, denn ein Sprichwort sagt: Im Glacier National Park regnet es im Sommer nur 2x/Woche, das 1. x 3 Tage und das 2. x 4 Tage und im Winter schneit es jeden Tag. Bald machen wir uns wieder auf den Weg hinunter, der ob der Steilheit auch nicht gerade bequem ist. Zu regnen hört es zum Glück gleich wieder auf. Die Jause im RV schmeckt aber besonders gut. Zuvor können wir noch die Fundamente eines verfallenen 90 Zimmer Hotels sehen. Dieses gehörte zum selben Typ von Hotels wie das Banff Spring Hotel oder das Château Lake Louise. Da die Eisenbahnlinie, man kann die Trasse noch erkennen, aber in den Tunnel verlegt wurde, ließ man es verfallen.
Während der Fahrt, über den Trans Canada Highway Richtung Westen beginnt es wieder stärker zu regnen. Wir wollen noch den Giant Cedar Boardwalk, kurz vor Revelstoke im Mt. Revelstoke National Park, besichtigen, aber als wir dort ankommen, schüttet es in Strömen. Nach kurzem Warten meinen wir, wir könnten ja unsere Regenbekleidung auf Tauglichkeit testen. Gesagt getan, wir begeben uns bei stärkstem Regen auf den Giant Cedar Boardwalk. Es ist ein tolles Gefühl zwischen 600 Jahre alten Baumriesen bei herrlichem Gewitter herumzuwandern. Auf Schautafeln sind die Abläufe der Natur in diesem Wald beschrieben. Man kommt zu einem umgestürzten Baumstamm, welcher den Boardwalk vor ein paar Jahren zerschmettert hat. Inzwischen wurde der Weg an diesem gefallenen Riesen vorbei neu angelegt. Die Schautafeln erklären genau, dass aus diesen umgefallenen Bäumen wieder neues Leben entsteht, junge kleine Bäumchen wachsen auf dem zerfallenden Baumstumpf.
An der Stadtgrenze zu Revelstoke beziehen wir auf einen KOA Campground, wie schon am Tag zuvor in Golden, einen Stellplatz mit Stromanschluss. Dazu muss notiert werden: Mit einem RV unseres Typs ist es nicht unbedingt nötig, einen Stromanschluss zu haben. Wenn man am nächsten Tag wieder einer längere Strecke fährt, kann man den Strom für die Abendbeleuchtung und die Heizung in der Nacht aus der Bordbatterie beziehen. Den Kühlschrank muss man auf Gasbetrieb schalten. Auf den Campgrounds in den National Parks und Provincial Parks gabs auch nirgendwo einen Stromanschluss. Unser RV benötigt einen 16A Stromanschluss, um auch auf Stellplätzen anschließen zu können, welchen die stärkeren 32A zur Verfügung stellen, ist das Anschlusskabel mit einen 32A Stecker versehen. Für 32A und 16A gibt es verschiedene Steckdosen. Die meisten Stellplätze haben aber 16A Anschlüsse oder jene mit 32A sind teurer. Um nun unsere benötigten 16A mit den vorhandenen 32A-Stecker anschließen zu können ist ein Adapter vorgesehen, welcher auch von Haus aus am Kabel stecken sollte. Ja er sollte am Kabel stecken, er tut es aber nicht. Warum? Weil ich in Golden das Kabel ohne Adapter von der Steckdose gezogen habe, der Adapter steckt noch immer an der Steckdose im Wispering Spruce Campground in Golden!
Ich frage bei der Rezeption unseres jetzigen Campingplatzes, ob man solch einen Adapter zu verleihen oder verkaufen habe - leider nicht. Auch die Tankstelle in Revelstoke kann nicht helfen, und die Elektrogeschäfte haben schon zu. Na gut werden wir heute Nacht halt ohne Stromanschluss auskommen müssen, obwohl wir dafür bezahlt haben, ist ja auch nicht so schlimm denke ich. Doch Monika denkt anderes, sie denkt, es muss doch mehrere solche Dummköpfe wie mich geben und macht sich, da der Campground halb leer ist, auf den Weg die Stromanschlüsse der unbesetzten Stellplätze zu begutachten. Siehe da, nach wenigen Minuten findet sie unglaublicherweise einen Adapter und der Abend ist gerettet. Ich hoffe nur, dass der Unglückliche, welcher seinen Adapter am KOA-Revelstoke vergessen hat, als nächstes am Wispering Spruce Campground in Golden Halt macht und eine genau so kluge Frau hat wie ich...

14. Tag - Samstag, 2. 9. 2000

Regen die ganze Nacht bis nach dem Frühstück. Es ist Schlechtwetterprogramm angesagt. Mit einer Fahrt auf den Mt. Revelstoke wird es nichts. Wir besichtigen den Hydroelektrischen Damm von Revelstoke. Dieser Staudamm am Columbia River ist sicher sehenswert und wir verbringen hier auch einige Zeit. Es gibt auch eine Ausstellung über die Sandstürme in diesem Teil des Columbia Valleys, aber deshalb sind wir nicht nach Kanada gekommen.
Später kommen wir nach Three Valley Gap. Hier schauen wir uns Ghost Town, ein privates Freilichtmuseum an. Zu besichtigen sind originalgetreue Bauten aus der frühen Goldgräberzeit, die hierhertransportiert wurden.
30 km weiter westlich befindet sich ein historisch bedeutender Punkt. Bei Craigallachie besuchen wir den 'Last Spike' der Canadian Pacific Railway (CPR). Am 7. November 1887, um genau 9.22 Uhr Pacific Standard Time schlug hier Donald Smith, ein CPR-Mitarbeiter,.den letzten Nagel der neugeschaffenen ersten Kanadischen Eisenbahnverbindung vom Atlantik zum Pazifik in den Grund. Viel zu sehen gibt es hier nicht, ein Denkmal, ein Souvenir - Shop, die Eisenbahn natürlich und ein Parkplatz.
Gleichzeitig mit einem Reisebus kommen wir am Parkplatz an, sonst ist kein Fahrzeug zu sehen. Wir sitzen noch auf unseren Plätzen als unser RV schon von einer asiatischen Menschentraube umringt wird. Ich steige aus und schon beplappern mich unzählige kleine asiatische Frauen. Erst jetzt merke ich, dass unser für kanadische Verhältnisse gar nicht all zu großes RV Grund für die Riesenaufregung ist. Scheinbar macht diese Reisegruppe hier ihren ersten Halt und diese Leute sehen das erste Mal ein 24 Fuß langes Wohnmobil. Da Flucht aussichtslos scheint, öffne ich die Wohnmobiltür und gewähre Einblick in unser vierrädriges Heim. Monika steht etwas abseits und zerkugelt sich vor lachen. Einer der Asiaten zieht sogar brav seine Schuhe aus, steigt einen Schritt in das Wohnmobil, knipst schnell zwei Fotos und ist sofort wieder heraußen. Für diese Asiaten waren wir mit unserem RV die große Attraktion beim Last Spike. Ob die noch auf die Eisenbahn geachtet haben?
Danach fuhren wir weiter nach Sicamous. Sicamous liegt am Shuswap Lake und wird auch als die 'Hausboot-Hauptstadt Kanadas' bezeichnet. Wir wollen eine Bootsrundfahrt machen und erkundigen uns wo dies möglich ist. Heute ist es bereits zu spät, aber für morgen haben wir was tolles gefunden, wenn nur das Wetter passen würde. Für heute Nacht finden wir einen Campground am Stadtrand, fahren zum Abendessen aber nochmals in die Stadt. In einem Restaurant direkt am See gibt es gute Burger mit Salat, nicht diese kleinen Dinger welche man in Europa von McDonalds kennt, sondern wirklich gutes Essen.
Wieder am Campingplatz beziehen wir unseren Stellplatz und machen ein kleines Lagerfeuer. Kurz vor dem Schlafengehen entdecke ich hinter unserem RV außerhalb des Campgrounds ein Maisfeld. Schnell sind ein paar Maiskolben gepflückt und im Kühlschrank eingelagert.

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